Synthesefarbstoffe

Die heute herrschende Farbenvielfalt in Kunst, Design, Mode, Medien, Werbung und Alltag verdankt sich im Wesentlichen den Erfindungen der Teerfarbenchemie und -industrie. Die ersten synthetisch hergestellten Teer- bzw. Anilin-Farbstoffe gelangten Mitte des 19. Jh. auf den Markt: 1856 das von W. H. Perkin hergestellte Mauvein (Perkins Violett) [J], 1858 das von E. Verguin aufgefundene Fuchsin [K]. Es folgten die von Peter Grieß entdeckten Azofarbstoffe, die alsbald zur wichtigsten Klasse innerhalb der Anilinfarbstoffe aufstieg. 1869 gelang mit dem Alizarin, dem Ersatz des roten Farbstoffes der Krappwurzel, durch Graebe und Liebermann die künstliche Synthese des ersten Naturfarbstoffs, dem wenig später die Synthese des Indigos durch die BASF folgte. Zu den wichtigsten Synthesefarbstoffen, die hauptsächlich zum Färben von Textilien eingesetzt wurden, gehören die Algolfarben der Fa. Bayer, die Indigosol- und die Indanthrenfarben [L] der BASF, die Solarfarben der Fa. Sandoz sowie die Neolanfarben der CIBA.

Der Erfolg der Teefarbstoffe beruhte nicht nur auf den im Vergleich zu den natürlichen Farbmitteln wesentlich geringeren Herstellungskosten und der meist höheren Licht- und Waschechtheit, sondern maßgeblich auch auf den bereits vorhanden Markt- und Produktionsstrukturen, in denen sich die synthetischen Farben als besseres Substitut rasch durchsetzen konnten. Dies führte einerseits zur Gründung zahlreicher noch heute bedeutender Chemieunternehmen führten, zerstörte andererseits in Ländern, in denen Krapp- und Indigo in Monokulturen angebaut wurden, diese spezifischen wirtschaftlichen Grundlagen.

Die Entwicklungsgeschichte der Chemieindustrie von der Teerfarben- zur Petrochemie mit ihren wirtschaftlichen, ihren gesellschaftlichen und vor allem ihren politischen Höhen und Tiefen bildet einen Subtext für die Forschungen innerhalb des Projekts und definiert Schnittstellen zwischen den verschiedenen Forschungsthemen von FARBAKS.

Flankierend wird, bezogen auf die Synthesefarbstoffe, im Sinne der vergleichenden Innovationsforschung der Bestand der wissenschaftlichen Arbeiten der Sammlung mit den zugehörigen Farbstoffen auf Aktualisierungspotentiale hin überprüft.

Die Forschungsfrage lautet hier, ob sich aus den früheren Farbstofferfindungen, die z.T. nicht in eine stetige Produktion überführt wurden, für die heutige Zeit neue, damals noch nicht denkbare Nutzungen erschließen lassen. Der Fokus liegt dabei auf der Ergründung der möglicherweise größeren Nachhaltigkeit früherer Verfahren. Diese Recherchen und Fragestellungen können mit den Beständen der kürzlich an der Hochschule Niederrhein wiederentdeckten Farbstoffsammlung des Fachbereichs Chemie, die ebenfalls durch die Textilfärberei geprägt ist, abgeglichen werden. Auch dort werden viele seinerzeit nicht in die Anwendung überführte Farbstoffe vermutet, die aber Innovationspotential für die heutige Zeit in sich bergen könnten.

[K] Fuchsin (© Historische Farbstoffsammlung und IAPP, TU Dresden)

[J] Mauvein Perkinprobe (© Historische Farbstoffsammlung und IAPP, TU Dresden)

[L] Indanthren schwarz (© Historische Farbstoffsammlung und IAPP, TU Dresden)