Wolfgang G. Schröter – Wegbereiter der Farbfotografie in der DDR

Von den frühen Jahren nach der Staatsgründung der DDR bis in die 1970er Jahre stellt die Fotografie in Farbe eine Sonderform im künstlerischen und angewandten Bereich dar. Trotz ungünstiger Ausgangsbedingungen der Nachkriegssituation in Industrie und Wirtschaft, den Widrigkeiten technologischen- und rohstoffbedingten Mangels, konnten mit der Wiedereröffnung des Instituts für Farbenfotografie an der Akademie für Grafik und Buchkunst in Leipzig 1947 die institutionellen Rahmenbedingungen für eine professionelle Ausbildung im Fachbereich künstlerischer und angewandter Fotografie geschaffen werden.

Als einer der wenigen Studenten dieser Jahre wird Wolfgang Günter Schröter 1949 im Studienfach Fotografik immatrikuliert. Seine fotografischen Grundkenntnisse hatte er ein Jahr zuvor als Hilfswerker in der Prüfstelle für Schwarzweiß- und Colormaterial der Agfa Filmfabrik in Wolfen erworben.

Seit ihrer Gründung zählt diese zu den wichtigsten Arbeitgebern der Region, so auch für Schröters Vater, der seit 1910 zunächst in der Prüfabteilung, später als Filmdisponent in der Aufarbeitung Blattfilm des Wolfener Werkes beschäftig ist. Die Nachfrage nach farbfotografischen Abbildungen in kommunen Printmedien ist zu Beginn der 1950er Jahre der DDR noch relativ gering. Der Sektor propagandistischer Auslandspublikationen hingegen bedarf der Farbfotografie, um im internationalen Vergleich bestehen zu können. Noch während des Studiums beginnt W. G. Schröters berufliche Tätigkeit für die von der "Gesellschaft für kulturelle Verbindungen mit dem Ausland" protegierte Zeitschrift "Deutsche Demokratische Republik im Aufbau". Mit seinen Fachkenntnissen avanciert er zu einem der wenigen Spezialisten auf dem Gebiet der Farbfotografie. Neben der Tätigkeit für Exportpresseerzeugnisse der DDR, beginnt 1956 sein freiberufliches Arbeitsverhältnis als Bildreporter mit der "Freien Welt".

Die Außendarstellung der DDR in Farbe

Im selben Jahr begründet Schröter gemeinsam mit Absolventen und Studenten der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig (F.O. Bernstein, Barbara Haller, Kurt Hartmann, Evelyn Richter, Günter Rössler, Gerhard Heyde, Karl-Heinz Müller, Volkmar Jäger, Rosel Jäger-Bock, Renate und Roger Rössing) die Künstlervereinigung "action fotografie". Auf der Suche nach einer neuen fotografischen Formensprache zeigt die erste Ausstellung der Gruppe überwiegend Arbeiten mit experimentellem Charakter. Politisch-ideologische Gründe, wie der Vorwurf des Formalismus, führen nach der zweiten Ausstellung 1957 zur Auflösung der Künstlervereinigung.

Schröter konzentriert sich fortan auf seine berufliche Karriere im Bereich der angewandten Fotografie, berät in technologischen Fragen und übernimmt international wirksame Werbeaufträge für Carl Zeiss Jena und die VEB Filmfabrik Agfa in Wolfen. Das Ausloten der Grenzen und Möglichkeiten der Farbfotografie sowie sein Interesse an experimenteller Fotografie, kann er im offiziellen Kontext der Auftragsarbeit umso intensiver verfolgen. So gelingt ihm im Zuge der international geführten Werbekampagne anlässlich der Warenzeichenumstellung der Wolfener Filmfabrik von Agfa auf ORWO eine fotografiegeschichtliche Pionierleistung. Die Standgestaltung von ORWO auf der Kölner Messe Photokina 1968 präsentiert Schröters lebensgroße Körper-Fotogramme, die wohl weltweit ersten kameralosen Pseudosolarisationen in Farbe.

Defizite in der Produktlandschaft der Fotoindustrie der DDR kompensiert ORWO, wie im Falle des 1971 auf dem westlichen Markt eingeführten Äquidensitenfilms Agfa Contour Professional, durch Zusammenarbeit mit dem Zentralinstitut für Isotopen- und Strahlenforschung der Akademie der Wissenschaften in Leipzig.

Das am Zentralinstitut entwickelte elektronische Bildauswertungssystem Densitron, ursprünglich konzipiert zur Auswertung von Autoradiogrammen, nutzt Schröter nun zur technischen Herstellung farbiger Äquidensitogramme, die insbesondere der astronomischen Analyse dienen. Vor allem in der Wissenschaftsfotografie werden seine Fähigkeiten im Bereich fotografischer Sonderformen wie Makro- Mikro- Röntgen- und Zielfotografie nachgefragt. Seine technischen und praktischen Erfahrungen im Umgang mit dem farbfotografischen Verfahren vermittelt Schröter überdies in zahlreichen Publikationen der Fachpresse und auf populärwissenschaftlichem Weg. 1966 erscheint sein international beachtetes Standardwerk der Farbfotografie "Das große Color-Praktikum".

[C] Wolfgang G. Schröter, Harlekin und Colombine. Werbeaufnahme für die Marke ORWO des VEB Filmfabrik Wolfen, 1968 © Deutsche Fotothek Dresden

W. G. Schröter als Fotohistoriker und Lehrer

Mit Aufnahmen für Industrie und Werbung gelingt es Schröter charakteristische Merkmale "subjektiver Fotografie" wie Unschärfe und Abstraktion umzusetzen und die Grenze zu künstlerischer Farbfotografie zu öffnen. 1977 werden seine Werbeaufnahmen für Carl Zeiss Jena und die VEB Filmfabrik in der für die DDR bedeutenden Ausstellung "Medium Fotografie" als autonome Arbeiten gezeigt.

1972 erhält er nach zwanzigjähriger Berufserfahrung den Lehrauftrag für Angewandte Farbfotografie an der HGB in Leipzig, es folgt eine Vorlesungsreihe zu "Bürgerlicher Fotografie" an der Sektion Journalistik der Leipziger Universität. Bis in die 1990 Jahre begleitet er die regionale fotohistorische Erforschung Sachsens und Thüringens mit monographischen Beiträgen zu Fotografen der Jahrhundertwende. Im Jahr der politischen Wende 1989 kuratiert Schröter die Ausstellung "150 Jahre Fotografie", die sowohl in Berlin als auch in Paris präsentiert wird.

Seinem Interesse der Vermittlung von künstlerischer Fotografie folgend eröffnet er 1990 gemeinsam mit Bertram Kober die Bildagentur "Punctum" in Leipzig. Nachdem er 1991 die Leitung der Werkstatt für Elektronische Medien der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig übernimmt, folgt ein Jahr darauf mit seiner Berufung der Aufbau eines Lehrstuhls für Medienkunst, den er bis zu seiner Emeritierung 1994 inne hat.

Die Jahre bis zu seinem Tod 2012 widmet Schröter der Aufarbeitung seines ca. 50.000 Aufnahmen umfassenden Werkes, das Anfang Januar 2014 zusammen mit einem Bestand von ca. 100 Prints, Belegexemplaren, der Handbibliothek und biographischen Dokumenten in den Besitz der Deutschen Fotothek gelangte.