Farbfotografie in der NS-Zeit

Die Fotografie spielte als Propagandamaterial für den NS-Staat eine entscheidende Rolle. Heiner Kurzbein, Leiter der Abteilung Bildpresse im neugeschaffenen Reichspropagandaministerium, reklamierte bereits anlässlich der Eröffnung der Ausstellung "Die Kamera" im November 1933 die "Verwendung dieses Mittels neuzeitlicher Propaganda" ausdrücklich als nationalsozialistische Innovationsleistung und lobte deren bildschöpfende Wirkungsmacht zur NS-Identität. Noch stärker wurde die Begeisterung und Inbeschlagnahme, als die Farbenfotografie Fortschritte machte. 

1935 hatte der amerikanische Konzern Kodak die erfolgreiche Entwicklung seines Dreischichtenfilms Kodachrome verkündet, kurz danach war das deutsche Unternehmen Agfa mit dem Konkurrenzprodukt Agfacolor gefolgt. 1936 wurde der Dreischichtenfilm Agfacolor Neu vorgestellt, der gegenüber seinem amerikanischen Konkurrenten den entscheidenden Vorteil besaß, grundsätzlich einfacher in der Verarbeitung und zudem sowohl für die Herstellung von Dia- und Negativfilmen als auch für die Filmproduktion anwendbar zu sein – und wurde vom NS-Staat als rein deutsche Entdeckung gefeiert.

Farbenrausch im Staatsauftrag

Hugo Jäger (1900-1970 ?)

– deutscher Propagandafotograf
– Mitarbeiter von Heinrich Hoffmann
– hatte 1936-45 Zugang zu Adolf Hitlers persönlichem Umkreis
– während des Zweiten Weltkrieges Fotograf einer Propagandakompanie

Eine rein bildästhetische Betrachtung der Fotografien von Hugo Jäger fällt insofern schwer, als dass man aus heutiger Sicht das Element der Bedrohung aus keinem der Bilder ausklammern kann. Insofern hat Hugo Jäger seine Arbeit als Propagandafotograf scheinbar gut verstanden. Gekonnt setzt er die Innovationen und Vorteile der Farbfotografie in seinen Bildern um und schafft dadurch einen Bildatmosphäre, die gleichermaßen die Betrachter seiner wie auch unserer Zeit fesselt. Der damaligen Rezeption seiner Bilder und ihre Auswirkungen auf die Rezipienten bedarf es noch weiteren Forschungen. Deutlich dominieren die Farben Rot und Braun in den Fotografien – passend zum Staatsdesign der Nationalsozialisten. Die Farben wirken dabei wie Hilfsmittel, deren der Fotograf sich bedient hat. Farbe ist hier ein eigenständiges Gestaltungsmittel. Das Rot leuchtet auf jeder Fotografie aggressiv und bedrohlich; die Farbgebung durch die Verwendung von Signalfarben wirkt so plakativ, als seien die Fotos im Nachhinein koloriert worden.

Farbe diente nicht dem Experiment, sondern allein der Unterstützung eines emotional gesteuerten Bildinhaltes. Zudem präsentierte sich der PK-Apparat mit der Farbfotografie gleichzeitig als modern und volksnah. Die Außenwirkung der Bilder steht bei allen klar im Vordergrund, die Strenge und formale Gestaltung, mit der die Fotografien aufgebaut sind, dokumentieren nicht nur die Professionalität des Fotografen, sondern schaffen eine psychologische Betrachterwirkung, die zugleich bedrohlich und einschüchternd, aber auch imposant und überwältigend wirkt.

Inszenierungen vom Privatmann Hitler

Walter Frentz (1907-2004)

– deutscher Kameramann, Filmemacher, Fotograf
– war maßgeblich an der Bildpropaganda des Dritten Reichs beteiligt
– zuerst Kameramann für Leni Riefenstahl, ab 1939 Kriegsberichterstatter für die Deutsche Wochenschau
– Arbeit in unmittelbarer Umgebung von Adolf Hitler

Walter Frentz' Farbfotografien prägen wie keine anderen unser Bild von Hitler und haben sich einen Platz im kollektiven Bildgedächtnis erobert: Hitler beim Winterspaziergang mit Himmler, Hitler und Blondi auf der Wolfsschanze, Hitler als Melancholiker im Flugzeug. Frentz' Hitler war der Privatmann, der verständnisvolle Mensch. Der Fotograf inszenierte ihn als den Beschützer des Volkes und stilisierte ihn zum Naturfreund und Nachbarn von nebenan. Er wird zwar immer noch präsent in Szene gesetzt, doch viel subtiler und intimer als es bei Jäger der Fall ist. Frentz fast voyeuristisch wirkenden Aufnahmen stillen nicht nur bei uns ein großes, zweifelhaftes Bedürfnis, sondern auch bei seinen Mitmenschen: den Hunger nach personalisierten, emotionalisierten Bildern.

Diese Aura des Privaten wird besonders durch die Farbfotografie unterstrichen. Während in den bereits gezeigten Fotografien von Jäger die Farbe immer den Anschein von Künstlichkeit erweckt, verstärkt sie bei Frentz den Eindruck von Unmittelbarkeit und Natürlichkeit. Die Farben in Frentz' Bildern wirken auf den Betrachter weniger inszeniert und überladen wie in Jägers Fotografien, sie erwecken den Eindruck von Authentizität. Farbige Fotografien sind direkter und eindringlicher und stehen dem damaligen Anspruch an die Fotografie, Realität zu dokumentieren – und nicht eine eigene Bildrealität zu schaffen – näher.

Die farbige Welt der Reisen

Franz Grasser (1911-1944)

– deutscher Fotograf, überwiegend als Bordfotograf tätig
– seit 1936 angestellt bei der Hamburger Firma Carl Müller & Sohn und der Hamburg Südamerikanischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft (HSDG)
– seine Reisen führten ihn nach Europa, Südamerika, Asien, Afrika und Amerika, Ende der Bordfotografie mit Beginn des Zweiten Weltkrieges

Die farbigen Fotografien von Franz Grasser unterscheiden sich in fundamentaler Weise von denen, die ich Ihnen bis jetzt gezeigt habe. Sie sind ästhetisch so ansprechend, dass man ein Hakenkreuz schnell mal übersieht. Das liegt natürlich auch daran, dass Franz Grasser zum einen weit weg war von den Aufmärschen oder Hitlerinszenierungen und zum anderen ein anderes Ziel für seine Fotografien vor Augen hatte: ein gutes Foto.

Franz Grasser, Bordleben. Zwei Matrosen beim Abseilen, 1936/39 (© Deutsche Fotothek Dresden)

Franz Grasser, Bordleben. Schwimmbecken auf dem Oberdeck der "Milwaukee", 1936/39 (© Deutsche Fotothek Dresden)

Da muss die Hakenkreuzflagge nicht komplett gehisst sein, damit das Foto wirkt, im Gegenteil, der Augenblick, die Situation ist entscheidend und die Flagge und die damit verbundene Aussage nur zweitrangig. Diese Bilder wirken wirklich authentisch, keines scheint gestellt oder inszeniert worden zu sein. Man erkennt das gute Auge des Fotografen, den Blick für's Detail, aber auch für majestätisch wirkende Anlässe, ohne Überhöhung oder Machtansprüche.

Der Fotograf wirkt insgesamt aufgeschlossen und neugierig, verzichtet auf die Inszenierung von Differenz, betont vielmehr die Vielfältigkeit von Lebensverhältnissen, überraschenderweise weitgehend unbeeindruckt von völkischen Denkmustern. So zeigen die farbigen Fotografien von Franz Grasser eine Welt, die sowohl physisch als auch psychisch jenseits der groß inszenierten Hakenkreuze und Aufmärsche existierte.