Zeitschriftenartikel als Untersuchungsgrundlage

Zeitungen und Zeitschriften sind aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften für uns ein grundlegender Untersuchungsgegenstand. Bilden die Tageszeitungen noch einen ephemeren Zustand ab, der sich dem wechselnden Tagesgeschehen anpasst und schnell wieder in Vergessenheit geraten kann, so wird dieses Wissen doch gleichzeitig in gedruckter Form datiert und konserviert. Gleiches gilt für die weniger häufigen aber doch periodisch erscheinenden Fachzeitschriften, die für die Nachwelt archiviert sind und uns kritische Stimmen zum fachspezifischen Zeitgeschehen im 19. Jahrhundert liefern. Mit der Arbeit von Joachim Kirchner, der in mehreren Bänden eine Bibliographie der Zeitschriften des deutschen Sprachgebietes bis 1900 herausgebracht hat, liegt uns ein Erschließungsinstrument vor, das durch die Herstellung einer thematischen wie zeitlichen Ordnung eine unschätzbare Vorarbeit geleistet hat.

Bei der Rekonstruktion des Wissens der Künstler und ihrer Informationsquellen stellen sich dabei immer wieder die Fragen: Welche Zeitschriften können als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, wer hat die Periodika für welchen Leserkreis verfasst und welche Intention steckte dahinter? Viele Verleger wie beispielsweise Sigismund Hermbstädt versuchten schon mit Titeln wie dem Magazin für Färber, Zeugdrucker, und Bleicher (oder Sammlung der neuesten und wichtigsten Entdeckungen, Erfahrungen und Beobachtungen, zur Beförderung und Vervollkommnung der Wollen- Seiden- Baumwollen- und Leinenfärberei, der Zeugdruckerei, und der Kunst zu bleichen) einen bestimmten Kreis von Rezipienten anzusprechen, während August Wilhelm Hertel den Titel seiner Zeitschrift Journal für Malerei und bildende Kunst zunächst allgemeiner für eine größere Leserschaft fasste und im Untertitel spezifizierte: oder Mittheilungen d. neuesten Erfahrungen u. Verbesserungen in allen Zweigen d. Malerei, d. Bildhauerei, Daguerreotypie (Photographie), d. Farbenkunde u. Farbenchemie u. d. in diese Fächer einschlagenden Bibliographie.

Dies war umso wichtiger, da der Kreis der Abonnenten für das Fortbestehen der Zeitschrift ausschlaggebend war, denn viele Zeitschriften des 19. Jahrhunderts verschwanden nach nur wenigen Auflagen unbemerkt wieder.

Das Journal für Malerei und bildende Kunst mit einem Erscheinungszeitraum von lediglich 12 Jahren von 1844 bis 1856 zählt beispielsweise dazu. Wie schon der Gesamttitel erahnen lässt und in der Vorbemerkung zu lesen ist, sollte die Zeitschrift dem denkenden Künstler eine Verbindung von theoretischen Abhandlungen und praktischem Nutzen liefern und ihn umfassend über die Ereignisse von künstlerischem Interesse informieren: "daher sind ihm biographische Notizen und Nachrichten über Kunstwerke, Angaben von Schriften ebenso nützlich, als dergleichen über die Technik seines Kunstfaches." (Jg. 1.1844, Heft 1, S. 1)

Dem Abonnenten präsentiert sich demnach ein Periodikum, das sich genau in diesem Übergang von kunsttheoretischen Besprechungen und den Erläuterungen kunsttechnologischer Praxis bewegen soll, den wir thematisieren. Weiter unten sei ein Beispiel gegeben, das den Charakter des Blattes als nützliche Informationsquelle über Farben für den praktizierenden Künstler veranschaulichen soll.

Der Fokus der Zeitschrift liegt stärker auf der Darstellung kunsttechnologischer Themen und somit der Besprechung von Malmaterial. Doch gerade hier zeigt sich laut den Untersuchungen von Albrecht Pohlmann, dass es in späterer kunsttechnologischer Literatur lediglich zwei Referenzen auf das Blatt gab. Auffallend ist es ihm zufolge ebenso, dass die Zeitschrift trotz der Modernität, mit der sie sowohl auf alte wie auch auf neue Bildherstellungsverfahren gleichermaßen einging, so wenig Resonanz erfuhr und 1856 aufgrund mangelnden Interesses seitens der Abonnenten und ökonomischer Schwierigkeiten des Verlegers eingestellt werden musste.

Entstehung fachübergreifender Zeitschriften

Aufgrund ähnlicher Probleme endeten die Jahrbücher für Kunstwissenschaft, die zwischen 1868 und 1873 publiziert wurden, als der Herausgeber A. von Zahn verstarb. Die Nachfolgeschrift Repertorium für Kunstwissenschaft befasste sich in den zunächst unregelmäßig erscheinenden Auflagen ebenso wenig mit kunsttechnologischen Aspekten oder der Thematisierung von Farben und ihrer praktischen Verwendung. Anhand der zunehmenden Häufigkeit, mit der ab Ende des 19. Jahrhunderts in der Literatur vor allem auf Fragen der Kunsttechnologie und der Invention neuer Malmaterialen (bes. Farben) eingegangen wurde, wäre anzunehmen gewesen, dass auch hier eine entsprechende Behandlung des Themas zu erwarten sei. In den untersuchten Jahrgängen bis 1880 bleibt dieser Aspekt im Repertorium jedoch unbearbeitet und auch die Jahrbücher für Kunstwissenschaft sollten laut Einleitung als Ergänzung der im gleichen Verlag erscheinenden Zeitschrift für bildende Kunst zu verstehen sein. Dieses ab 1866 erschienene Blatt weist zunächst eine rein kunsthistorische Ausrichtung auf und enthält keinerlei Hinweise auf die Entwicklung neuer für Künstler nützliche Farben. Lediglich drei Artikel zur Maltechnik weisen auf die Erörterung kunstpraktischer Fragen hin, die in den Ausgaben von 1870 und 1872 publiziert wurden und sich neben dem Pettenkoferschen Verfahren mit der Petroleummalerei von Heinrich Ludwig und der Freskomaltechnik befassen.

Es kann tendenziell festgehalten werden, dass neben fachspezifischen – etwa rein kunstwissenschaftlich/ -historischen Zeitschriften – fachübergreifende Zeitschriften ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verstärkt initiiert wurden. In Bezug auf das Thema Farbe, welches sowohl für Künstler und Kunsttheoretiker als auch für Naturwissenschaftler relevant ist, entstanden Periodika, die auf die stärkere Auseinandersetzung mit Kunsttechnologie sowie auf die Industrialisierung und somit auf die Entwicklung neuer Farbtechnologien eingegangen sind. Wie bei dem Journal für Malerei und bildende Kunst oder der Zeitschrift Gemeinnützige Nachrichten von den neuesten Erfindungen, Fortschritten und Entdeckungen des In- und Auslandes, sowie von der neuesten Literatur und Kritik der Gewerbekunde, für Handwerker, Fabrikanten, Künstler und Ökonomen verfaßt war es das Ziel, einen Brückenschlag zwischen den durch Farbe verbundenen Fachgebieten zu schaffen und parallel zu den neuesten Innovationen dazu zu informieren.

[A] Deckblatt der Zeitschrift für bildende Kunst, Heft 1, Leipzig 1866

Das Problem der Farbnamen in der täglichen Künstlerpraxis

Mit fortschreitender Entwicklung neuer Farben und dem Anwachsen der Farbenindustrie veränderte sich nicht nur das Verhältnis des Künstlers zu seinem Handwerksmaterial. Es fiel ihm zunehmend schwerer einzuschätzen, mit welchen Inhaltsstoffen und chemischen Prozessen bis hin zu möglichen Farbveränderungen er es zu tun hatte und er konnte ebenso immer weniger auf die Qualität Einfluss nehmen, wenn er sich die Farben nicht selbst anrieb.

Ein interessanter Aufsatz aus der 2. Ausgabe von 1844 "Ueber Farben-Nomenclatur und chemische Prüfung ihrer Bestandtheile" soll diese Problematik verdeutlichen (Abb. C). Die Verfasser des Blattes sehen es als Notwendigkeit an, die Maler darüber in Kenntnis zu setzen, wobei sie die Untersuchung auf für "Kunst-, Decorations- und Staffirmaler" nützliche Farben beschränken. Mit dem Verweis zum eigentlichen Aufsatz von Dr. Stockhardt "über die gegenwärtig im Handel vorkommenden und in der Technik angewendeten Farbsorten und ihre Unterscheidung" aus dem Programm der Gewerb- und Baugewerbeschule zu Chemnitz aus dem Jahr 1843 wird der vermittelnde Charakter des Blattes zwischen technischem und künstlerischem Interessenfeld hervorgehoben.

Die Auflistung nach den chem. Bestandteilen der Farben lässt zugleich eine direkte Beurteilung aus kunsttechnologischer Sicht zu (Verträglichkeit mit Bindemitteln und anderen Farben). Ebenso aufschlussreich sind Hinweise auf die vom Markt verdrängten oder substituierten Farben.

[B] Erste Seite des Journal für Malerei und bildende Kunst, Heft 1, Weimar 1844, SLUB Dresden / Z.B.533 1.1844,1

[C] Artikel: Ueber Farben-Nomenclatur und chemische Prüfung ihrer Bestandteile aus Journal für Malerei und bildende Kunst, 2.1844, S. 42, SLUB Dresden / Z.B.533 1.1844,2