Farben und Töne

Farbordnungen und die Harmonia Universalis

In den bis in die Antike zurückreichenden Ansätzen einer Ordnung der Farben, treten im Sinne der Forschungsfragen viel deutlicher verschiedene Wahrnehmungsdispositionen hervor. Denn eine Ordnung der Farben meint nicht nur die Darstellung eines Beziehungsgefüges verschiedener Farbtöne untereinander auf der Basis bestimmter Primärfarben, sondern eben auch die Besetzung verschiedener Farben mit bestimmten Werten.

Im Hinblick auf Farbordnungen des 18. Jhs. sind dabei vor allem die Versuche einer Verbindung zwischen Farben und Tönen von besonderer Relevanz. Dabei erscheinen die Ansätze des über seine Kompositköpfe sicher bekannten Giuseppe Arcimboldo [D] im 16. Jh. in besonderer Weise innovativ, da sie sowohl im Zusammenhang mit der italienischen Musiktheorie des 15. und 16. Jhs., als auch der arabisch-scholastischen Tradition linearer Skalierungen von Farbtönen stehen. Die fünfzehn-stufige Grauskala Arcimboldos, die Sie in [E] in einer schematischen Skizze sehen, folgt in ihren Abstufungen den Verhältnissen der Töne einer doppelten Oktave und verweist damit auf die Musiktheorie Franchino Gaffurions und Gioseffo Zarlinos (1558).

Die so in Analogie zu den Tonwerten entwickelte quantitativ bestimmte Grauskala steht dabei im Zusammenhang mit dem Geistesleben am Hofe Rudolfs des II. in Prag, an dem Arcimboldo zur Zeit der Misch-Experimente arbeitete. Von Rudolf gefördert, geht es den verschiedenen Naturforschern am Hof um die Auffindung einer universell-kosmischen Harmonie, eine Harmonia universalis, an der etwa auch Johannes Keppler mit seiner kosmischen Sphärenmusik und seiner ebenfalls auf die Antike verweisenden Harmonisierung von Formen und Planetenbewegungen beteiligt war. In der Grautonskala Arcimboldos erfolgt damit eine Übertragung, der als universell-harmonisch verstandenen Tonverhältnisse und Tonwerte in der Musik, die zudem eine mathematische Abstraktion erlaubten und so in quantitativen Mischproportionen von Weiß und Schwarz übertragen werden konnten.

Die Verbindung zwischen Farben und Tönen tradiert sich in der Folge u. a. über Descartes und wirkt über Newton in die farbtheoretischen Diskussionen des 18. und 19. Jahrhunderts. Die Differenzierung des linear-kontinuierlichen Lichtspektrums in sieben einfache Farben durch Newton erfolgt dann ebenfalls auch auf der Basis musikalischer Tonverhältnisse.

Neben den sieben auf musikalische Harmonien verweisenden Primärfarben Newtons findet sich im 18. Jh. die Dreifarbentheorie (Rot, Gelb, Blau), die erstmals mit Richard Waller bereits 1686 in systematischer Art und Weise bearbeitet und in der Folge mit Louis Bertrand Castel (1740), Jakob Christoph Leblon und Gautier d'Agoty (1749) weitergeführt wird. Eine praktische Wirkung dieser Theorie auf die Druckpraxis erfolgt dann bereits in den 1740er Jahren in Form der ersten Vier-Farbdrucke, wie im Beispiel von Leblon [F]. Die bekannten Ansätze Johann Tobias Mayers sind dann der erstmalige Versuch, die Farbabstände zwischen den drei Hauptfarben Rot, Gelb und Blau durch mathematische Proportionen exakt zu bestimmen.

Sein Farbentriangel, in dem je zwei Grundfarben über 12 Abstufungen entlang der Seiten ineinander übergehen, verweist zudem wiederum auf die Musiktheorie. Die Dreifarbtheorie ist dabei aber nicht bloß über die stofflichen Farbmischungen begründet, sondern wird von Mayer auch mit dem prismatischen Spektrum verknüpft, in dem sich nach seiner Ansicht ebenfalls nur drei Hauptfarben zeigten, während die anderen als Mischungen erscheinen.

1792 liefert Christian Ernst Wünsch hierzu eine experimentell begründete Untersuchung an prismatischem Licht, die jedoch Rot-Grün-Blau als Grundfarben ausweist und die später auch Thomas Young dazu bewegt, seine zunächst auf den Farben Rot, Gelb, Blau basierende Wahrnehmungstheorie entsprechend abzuändern. Ebenfalls an Wünsch anknüpfend führt die weitere Aufspaltung des Farb-Spektrums durch Fraunhofer schließlich 1817 zur Entdeckung der Spektrallinien und deren spezifischen Konfigurationen.

[D] Jose Arcimboldo (Selbstbildnis, Ausschnitt). National Gallery (Prague).

[E] Links: Schematische Illustration der Grauskala Arcimboldos. Rechts: Gioseffo Zarlino, Dimostrationi Harmoniche, Venetia 1571, S. 284.

[F] Farbauszüge einer Rot-, Blau- und Gelbplatte sowie deren Ergebnis beim Überdrucken (1735), aus: Moses, Magda; Gage, John (2009): Kulturgeschichte der Farbe. von der Antike bis zur Gegenwart. Leipzig 2009, S.