Frühe Farbnormierungen

Konsumgüter und die Farben der Natur

Das Teilvorhaben setzt an den frühen Versuchen einer Standardisierung von Farbeindrücken im 18. Jh. an, wo sowohl in den Manufakturbetrieben ein direkter Druck zur Normierung der Farbwidergabe vor allem auch königlicher und höfischer Konsumgüter, als auch in der Naturgeschichte zur Klassifizierung der Farben der Natur bestand. In beiden Fällen differenziert sich aber die Wahrnehmung von Farbe aus verschiedenen Ursachen und mit differierenden Zielen. So beginnt sich etwa über die Ansätze zur Normierung der Farben der Naturkörper das vormalige Verständnis von Farbe bereits dahingehend zu differenzieren, dass die zunächst nur als ephemer oder als zufällig betrachtete Farbigkeit von Steinen, Pflanzen und Tieren nun zu einem festen Merkmal der Klassifikation avanciert, das in Tabellen, Farbmustern und verbalen Beschreibungen gesichert und damit einer weiteren Operationalisierung zugeführt werden kann.

Im Bereich der Konsumgüter hingegen steht die Standardisierung einerseits im Zusammenhang mit einer grundlegenden Qualitätssicherung verwendeter Pigmente und Farbstoffe, die dann andererseits auch eine ganz konkrete ökonomische Bedeutung in einem sich bereits in dieser Zeit globalisierenden Markt der Farben besitzt. Für gleichbleibende Qualitäten war dabei nicht nur die Farbigkeit an sich, in Form der Pigmente und Farbstoffe zu sichern, sondern auch ihr Verhalten im Produktionsprozess etwa in der Interaktion mit pflanzlichen und tierischen Textilien oder im Brand z. B. in der Porzellanherstellung. Diese begleitenden Faktoren zu kontrollieren, gehört dabei untrennbar zu einer Standardisierung von Farben.

Farben der Wissenschaft

Als Farben der Wissenschaft werden hier Versuche bezeichnet, das Phänomen Farbe in den Wissenschaften zum einen zu normieren (Beschreibung, Terminologie) und zum anderen zu operationalisieren (Messen, Bestimmen mit Farbe, Sichtbarmchen über Farbe). Am Anfang einer Bestimmung oder Normierung der Farben der Natur steht nach derzeitigem Recherchestand Giovanni Scopoli (1763), der mit verschieden gefärbten und rotierenden Scheiben versucht, ein standardisiertes Referenzsystem zur Beschreibung der Farben von Insekten zu entwickeln.

In der Nachfolge ist es dann Jacob Christian Schäffer, der 1769 die Regeln zur Verfertigung eines Farbmuster-basierten Referenzsystems nebst entsprechender Terminologie festsetzt und dieses derart formalisiert [A]. Gesichert werden diese Farben in einzelnen Farbfächern, denen die Namen des Naturobjekts über eine Referenz zugewiesen sind und deren Mischformel zudem notiert wird. Im Unterschied zu den sich zeitgenössisch parallel entwickelnden Farbordnungen etwa Newtons oder Tobias Mayers, in denen es um eine Binnenordnung der Farben auf der Grundlage von Primärfarben geht, basieren die in der Tradition Schäffers stehenden Farb-Referenzsysteme direkt auf den jeweils beobachtbaren Farbtönen eines bestimmten Naturreich. Über den Freiberger Geognosten Abraham Gottlob Werner, bei dem u. a. auch Alexander von Humboldt und Novalis studierten, wirken die von Schäffer festgesetzten sieben Haupt-Farben der Natur (Rot, Gelb, Blau, Grün, Braun, Weiß und Schwarz) nicht nur in die deutschsprachige Naturgeschichte des 19. Jh., sondern auch über deren Grenzen hinaus und finden sich über Patrick Syme sogar bis zu Charles Darwin.

Eine Besonderheit sind gegenüber den meist handgemalten Farbmustern, die Porzellan-Täfelchen des bereits genannten Abraham Gottlob Werner, die als Versuch erscheinen, den durch Alterung hervorgerufenen Verlust an Farbqualitäten auszuschließen und so beständige Referenzmuster zu erhalten [B]. Hierbei zeigt sich zugleich eine Übernahme handwerklich etablierter Praktiken zur Sicherung und Standardisierung von Farbe, wie sie in den Farbstammbäumen der Porzellan-Manufakturen erfolgt.

[A] Jacob Christian Schäffer, Entwurf einer allgemeinen Farbenverein, Regensburg 1769.

[C] Rekonstruktion eines Cyanometer (Ausschnitt), aus: André Karliczek Olaf Breidbach, Himmelblau – das Cyanometer des Horace-Bénédict de Saussure (1740-1799), in: Sudhoffs Archiv. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte (2011), S. 3–29.

[B] Farbtäfelchen aus Meißner Porzellan. Äußere-Kennzeichensammlung Abraham Gottlob Werner. Fotos: Beata Heide, Susanne Paskoff. Geowissenschaftliche Sammlung der TU Bergakademie Freiberg.

[B] Farbtäfelchen aus Meißner Porzellan. Äußere-Kennzeichensammlung Abraham Gottlob Werner. Fotos: Beata Heide, Susanne Paskoff. Geowissenschaftliche Sammlung der TU Bergakademie Freiberg.

Farben erforschen – mit Farben forschen

Auf der anderen Seite finden sich bereits Ende des 18. Jh. Versuche einer Operationalisierung der Farben, in der die Farbigkeit von Naturkörpern oder Prozessen zur deren Analyse genutzt wird. Hierher gehört auch die bereits in der ersten Hälfte des 18. Jh. von Anton von Schwab in der Mineralogie verwendete Lötrohrprobe, die zur sogenannten Probierkunst gehört und eine qualitative über Farben vermittelte Analyse von Mineralien ermöglicht. Exemplarisch seien in diesem Kontext zudem Farbskalen der Uroskopie benannt, die bereits seit der Antike eine gängige Praxis medizinischer Diagnostik war, und die im Mittelalter erstmals Farbmuster-Referenzen hervorbringt. Zu den frühen Instrumentarien einer Bemessung mit Farbe gehört dann etwa auch das Cyanometer des Horace-Bénédicte de Saussure, das Ende des 18. Jh. entwickelt wurde und zur Bemessung des Blaus des Himmels und über dieses der Menge der in der Atmosphäre verteilten opaken Dünste dient [C]. Neben der Bemessung von Farben über farbliche Referenzenzmuster, findet sich als Form der Operationalisierung zudem eine reiche Palette an Farb-Indikatorstoffen, in denen nicht die Eigenfarbe, sondern die Eigenschaften farbiger Substanzen zu charakteristischen Farbveränderungen zur Analyse genutzt wird.

Hierzu gehören etwa die auch heute noch verwendeten Lackmus- oder Curcuma-Tinkturen, die beide bereits im 18. Jh. als Säure-Base-Indikatoren verwendet werden und vor allem um 1800 auch für die Analyse elektrischer Prozesse und der damit in Verbindung stehenden chemischen Vorgänge eingesetzt werden. In der zeitgenössischen Wissenschaft finden sich Farben aber nicht mehr nur aufgrund ihrer Fähigkeiten zu farblichen Veränderungen appliziert, sondern auch als spezifische Interaktionsstoffe, wie sie etwa in der Histologie zum Anfärben bestimmter Gewebe Verwendung finden. In wieder anderer Weise, nämlich im Rahmen farbkodierter Repräsentationsweisen, ermöglichen einerseits sog. Falschfarbendarstellungen die Sichtbarmachung von Spektralbereichen, die dem Menschen unter normalen Bedingungen unsichtbar wären wie z.B. in der Astronomie. Andererseits ermöglichen gezielte Farbkodierungen etwa in der Magnetresonanz- oder Röntgentomographie die Verstärkung sonst kaum wahrnehmbarer Farbunterschiede und damit eine für den Menschen differenziertere Wahrnehmung unterschiedlicher Bildbereiche.