Die Farbe der Dinge

Farbfotografie und kulturelles Gedächtnis

Ästhetik und soziokulturelle Bedeutung der Farbfotografie in der Zeit des Nationalsozialismus

Die Farbfotografie wird gerade in ihren Anfängen als zweitrangiges Medium etikettiert; das Vorurteil, die "künstlerisch wertvolle" Fotografie sei immer Schwarz-Weiß, besteht auch heute noch. Als in den 30er Jahren Agfa und Kodak fast zeitgleich ihre Farbfilme herausbrachten und nach dem Krieg die Kleinbildkameras den Markt eroberten, wurde die Farbfotografie zwar von der breiten Masse dankend angenommen, doch damit verbunden waren auch die ästhetischen Vorbehalte gegen das farbige Foto. Es wurde vielfach von Amateuren genutzt und war professionell dem Journalismus, der Werbung, den Massenmedien und der Unterhaltungsindustrie vorbehalten. Den Weg ins Museum schaffte die Farbfotografie erst in den späten 70er Jahren. weiterlesen

In der Forschungsliteratur wird die Farbfotografie stets als technische Errungenschaft gesehen, die bisherigen Untersuchungen beschränken sich überwiegend auf die Auflistung von Verfahren oder Fotografen. Eine ästhetische Geschichte der Farbfotografie gibt es bis heute nicht. Schon Michel Frizot bemängelte dies 1998 in seinem Standardwerk zur "neuen Geschichte der Fotografie". Er sagt, die Farbe müsste "wie ein Industrieprodukt nach Kriterien des Gebrauchs, der Aneignung, des Konsums, der Manipulierbarkeit und der Subjektivität untersucht werden".

Ziel des Forschungsvorhabens ist die Farbfotografie sowohl in ihren Einsätzen und ihrer psychologischen Wirkung auf den Betrachter als auch in ihrer Funktion als kulturelles Erinnerungsmaterial zu untersuchen und dabei eine Brücke zwischen ihrer ästhetischen Wahrnehmung und ihrer technischen Realisierung zu schlagen. Dabei wird vor allem durch die Untersuchung von Farbfotografien, die zur NS-Zeit entstanden sind, nicht nur die Stofflichkeit von Erinnerungen thematisiert – die Aufnahmen der damaligen Zeit sind meist auf labilem Trägermaterial vorhanden und versinnbildlichen den durch die Zeit einhergehenden Verlust von farbigen Erinnerungen, sie verblassen mehr und mehr – , sondern es wird auch jener Teil der Fotografiegeschichte beleuchtet, der lange Zeit ausgeblendet wurde. Klaus Honnef hat sie die zwölf braunen Jahre der deutschen Fotografie genannt, die bis heute gerade im Hinblick auf die Verwendung von Farbfotografie weitesgehend unerforscht sind.

Erweitert werden diese Forschungen um die Jahre der Nachkriegszeit in Deutschland und Amerika, wo besonders der Unterschied zwischen "künstlerisch wertvoller" Schwarz-Weiß-Fotografie und der z. B. von staatlicher Seite intendierten Farbfotografien untersucht werden soll. Der Blick richtet sich hier eher auf gesellschaftliche Phänomene und öffentliche Interpretationsmuster sowie auf das fotografisch gedeutete Individuum und dessen Selbstinszenierung unter Einbeziehung von Kunst-, Experimental- und Modefotografie.

Frühe und experimentelle Farbfotografie der DDR am Werkbeispiel Wolfgang G. Schröter

In der bisherigen Forschung zur frühen Farbfotografie der DDR, sei es im künstlerischen oder dokumentarischen Bereich, blieb die offizielle Außendarstellung der Presse- und Werbelandschaft bislang eher unberücksichtigt. Aufbau und Pflege zwischenstaatlicher Beziehungen wurden jedoch von Seiten des neuen Deutschlands mittels aufwendiger publizistischer Erzeugnisse gefördert. Um sich als wirtschaftlich und kulturell entwickelter Industriestandort darzustellen, betrieb die DDR eine exportorientierte Werbemaschinerie, die sich des Mediums der Farbfotografie extensiv bediente. Für eine Minderheit spezialisierter Farbfotografen wie Wolfgang G. Schröter (1928-2012) boten Auftragsarbeiten für wirtschaftswichtige, international agierende Betriebe u.a. die Filmfabrik ORWO in Wolfen und VEB Carl Zeiss Jena einen Spielraum experimenteller Fotografie jenseits der sozialistischen Bildsprache. Bereits 1964 entstehen Schröters Körper-Fotogramme, die weltweit ersten kameralosen Pseudosolarisationen in Farbe.

Sondertechniken aus dem Bereich der Wissenschaftsfotografie wie Farbäquidensitogramme, Strobochromatogramme, farbige Isohypsenaufnahmen sowie Experimente mit Farb- und Röntgenfotografie führen zu einer an westlichen Entwicklungen der Farbfotografie anknüpfenden Bildsprache, deren Ästhetik im Rahmen von Außendarstellung, Werbung und Forschung der DDR dem Formalismus-Verdikt entgehen konnte. Gegenstand des Teilprojektes ist die Farbfotografie der frühen 1950er bis 1970er Jahre der DDR. Die Untersuchungen beziehen sich auf die institutionellen Rahmenbedingungen für Forschung-, Aus- und Weiterbildung (Institut für Farbenfotografie), politisch-ideologische Triebkräfte (Printmedien für die Außendarstellung) und die technologische Einflussnahme einzelner Spezialisten auf die Filmindustrie. Weiterhin wird der Frage nachgegangen inwiefern, dass bislang behauptete Primat autonomer, künstlerischer Schwarz-Weiß-Fotografie gegenüber der Farbfotografie aufrecht erhalten werden kann.